Thema des Monats April 2022: Ostern - Helmuth Bruns von der evangelisch-reformierten Kirche Wolfsburg und Tomás Gaete, chilenische Pastor aus Westhagener evangelisch-lutherischen Bonhoeffer-Kirchengemeinde, machen sich Gedanken zum Osterfest
Ostern - viele freuen sich auf Ostern. Nach der Corona-Pandemie - oder vor einer neuen Welle - wollen wir an die frische Luft, in die Sonne, mit der Familie und Freunden etwas gemeinsam machen. Helmuth Bruns, Pastor der evangelisch-reformierten Kirche in Wolfsburg, und Tomás Gaete, chilenischer Pastor aus Westhagener evangelisch-lutherischen Bonhoeffer-Kirchengemeinde, machen sich Gedanken zum Osterfest. Beide Kirchen waren schon Thema des Monats: Die evangelisch-reformierte Kirche (bitte hier klicken) und die evangelisch-lutherische Bonhoeffer-Kirchengemeinde (bitte hier klicken).
“Sie
flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.” Markus 16, 8
Das ist der eigentliche Schluss des Markusevangeliums. Die biblische Forschung hat festgestellt, dass die Verse, die noch folgen, später
dem Evangelium hinzugefügt wurden.
Sie sagten sich damals vermutlich: So kann das Evangelium nicht enden. Es ist doch eine frohe Botschaft - und der Evangelist Markus sagt: Sie fürchteten sich.
Ganz anders
berichtet der Evangelist Matthäus. Der Auferstandene erscheint den Jüngern und spricht zu Ihnen “siehe ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
Das ist doch sehr tröstlich.
Oder der Evangelist Lukas: Der Auferstandene erscheint den Jüngern, er fährt in den Himmel. Die Jünger „waren allezeit im Tempel und priesen Gott“. Österliche Gemeinde, wie sie sein
soll. Ein gutes Vorbild für die Gemeinde.
Und Markus: „Sie fürchteten sich.“
Warum hat der Evangelist Markus so geendet?
Vielleicht wollte Markus ein persönliches Osterbekenntnis herausfordern.
Furcht, Zittern und Entsetzen hatte die Frauen ergriffen. So reagieren in der Bibel häufig Menschen, wenn sie Gott begegnen.
An ihrem Entsetzen können wir also erkennen, dass die Frauen wirklich Gott begegnet sind.
Genauer beschrieben wird es im Markus Evangelium nicht.
Der Stein, der die Grabkammer verschlossen hat, ist einfach zur Seite gerollt. Wir erfahren nicht, wie dies geschehen ist. Eine Gestalt in weißem Gewand sitzt im Grab. Ist es ein Engel, ein Bote
Gottes, oder der Auferstandene selbst?
Die Frauen entsetzen sich. Der Jüngling sagt: Entsetzt euch nicht! Dieser Ausspruch ist ein häufig verwendeter Engelgruß. So spricht der Herr: Fürchte dich nicht; der Herr ist mit dir. Entsetzt
euch nicht. Er ist auferstanden. Sie aber entsetzen sich trotzdem.
Es ist kein Leichnam da. Wie das kommt, erfahren wir auch nicht. Er ist nicht hier, nicht im Grab. Seine Anhänger sollen nicht einen toten Helden verehren. Es ist nichts da, was man besichtigen
oder in einer Ausstellung zeigen könnte. Der Herr aber ist auferstanden, er lebt auf eine neue Art.
Die Frauen, sie verstehen es einfach nicht, sie fürchten sich. Diese Reaktion ist angemessen, weil etwas ganz Großes geschehen ist, dass alles Begreifen übersteigt. Der Tod ist verschlungen
vom Sieg. Das Leben triumphiert.
Es ist sehr früh, die Sonne geht auf. Der Sabbat, die Ruhe am und im Grab ist vorüber. Es ist der 1. Tag der neuen Schöpfung. Ein neuer Anfang ist
geschehen. Das Osterlicht ist schon aufgegangen über den Frauen. Sie sind aber noch in den Gedanken an den Tod gefangen – so wie wir es oft auch sind.
Das Auferstehungswunder entzieht sich allen Begriffen. Worte fehlen in einer solchen Schreckenssituation.
Irgendwann werden wir genug geschwiegen haben. Das Entsetzen wird weichen. Dann werden auch wir wieder reden können.
Es wird Morgen werden, wir werden einen Weg erkennen. Wir werden gehen und erzählen.
Das Evangelium bekommt nun viele persönliche Schlüsse, deinen und meinen.
Deshalb lässt Markus das Ende offen. Er kann es nicht für uns schreiben. Keiner kann das für den anderen vorschreiben. Jeder hat seinen eigenen Ausgang aus dem Grab. Mit jedem findet Gott seinen
persönlichen Weg ins Osterlicht. Das Markus Evangelium hat einen offenen Schluss für Gottes Weg mit jedem einzelnen.
Der Herr ist auferstanden!
Liebe Leser, ich wünsche Ihnen allen, auch in diesen schwierigen und friedlosen Zeiten ein gesegnetes Osterfest! Bleiben Sie bewahrt!
Pastor Helmuth Bruns
Liebe Mitglieder des CVJM Wolfsburg,
wie wir alle wissen, begannen schon am Anfang der Entstehung des Christentums die Nachfolger Jesu Ostern als Einheit von Leid und Tod am Kreuz, aber auch oder gerade als Auferstehung zu verstehen.
Was viele von uns dabei manchmal vergessen, ist, dass der österlichen Freudenzeit eine Menge an Versöhnungsarbeit vorausgeht, dass heißt: „Arbeit an sich selbst“! Denn die Vorstellung der Passionszeit, dass Jesus sich ganz unauffällig unter die Menschen begibt, ist Trost und Ermutigung. So sind Christen in dieser Zeit nicht nur bemüht, ihn, Jesus, nicht zu übersehen, sondern auch gewillt, den Lebensweg des Leidens und der Versöhnung in etwa nachzuahmen bzw. umzusetzen. So gesehen ist Ostern eine Herausforderung, die viele ,,Lotusblüteneffekte“ – wie ein Bekannter von mir zu sagen pflegte – voraussetzt. Mit ,,Lotusblüteneffekte“ meinte er, dass wir viele negative Einflüsse auf unser Leben abperlen lassen sollten, so wie die Blüten einer Lotusblume, die schmutzige Wassertropfen erfolgreich abweist.
Ostern setzt kreative Handlungen der Versöhnung voraus, so wie das, was ich bei meinem letzten Urlaub in meiner alten Heimat, Chile, wieder gehört habe. Es geht um die Situation eines Mannes, der seiner eigenen Familie viel Leiden zugefügt hatte, seine größte Sehnsucht war aber, von dieser wieder empfangen zu werden und ihre Vergebung zu erlangen. Er war erst kürzlich aus der Haft entlassen worden und reiste mit dem Zug nach Hause. Nicht ein einziges Mal hatte ihn seine Familie im Gefängnis besucht. Nur ganz selten hatte er Post von zu Hause erhalten. Trotz allem hoffte der Mann, dass seine Angehörigen ihm im Laufe der Zeit verziehen hätten. Um es ihnen leichter zu machen, hatte er vorgeschlagen, dass sie ihm ein Zeichen geben sollten. Vor der Einfahrt in den Bahnhof seines Heimatortes wollte er erkennen können, ob er willkommen sei oder nicht.
Denn die Bahnlinie führte an dem kleinen Bauernhof vorbei, wo seine Familie wohnte. Wenn sie ihm verziehen hätten, so sollten sie an den großen Apfelbaum nahe der Bahnstrecke ein weißes Band binden. Wenn er aber nicht zu Hause willkommen wäre, sollten sie den Baum so lassen wie er war. Er würde dann nicht aussteigen und mit dem Zug weiterfahren. Er brachte es kaum fertig, aus dem Fenster zu schauen, doch er gab sich einen Ruck, da ihm dieses Zeichen so viel bedeutete.
Tränen standen ihm in den Augen, als er sah, dass der Apfelbaum voll weißer Bänder war.
Möge diese Geschichte Euch, liebe CVJM, ein klein wenig dazu helfen, Ostern so zu verstehen und so zu erleben, denn der Bitte im Vaterunser: ,Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern,, gehen viele Leidenserfahrungen voraus.
Denn Versöhnung kann Menschen verwandeln, weil sie ihnen eine neue Chance zu leben gibt.
In diesem Sinne,
Tomás Gaete, der chilenische Pastor aus Westhagen