Thema des Monats Mai 2021: Dokumentation/ Buch - "Von den Anfängen bis zur Goldplakette" - Integration von deutschstämmigen Aussiedlern mit Hilfe von CVJM, Diakonie, Sport, Gruppen, Vereinen, Schulen, Politik, Verwaltung, Kirchengemeinden, Justizvollzugsanstalten, Wohlfahrtsverbänden, Zeitungen, Arbeitskreis für Spätaussiedlerfragen, Sprachkursen und vielen mehr - „durch Eintracht macht man kleine Dinge groß“
„Durch Eintracht macht man kleine Dinge groß“, sagt der Volksmund. Dieser Spruch trifft voll auf die Aktion „Aussiedler und Einheimische sind ein Team“ zu. Eigentlich müsste es ja heißen „Aussiedlerinnen, Aussiedler und Einheimische sind ein Team“, denn Mädchen und Frauen sind auch herzlich willkommen. Aber dies fiel keiner und keinem so richtig im Laufe der Jahre auf.
Zum ersten Mal hatten wir 1977 Kontakt mit einem rumäniendeutschen Mädchen, einem Spätaussiedlermädchen. Sie kam von der Gerhart-Hauptmann-Realschule zu uns zum Volleyball. Davor gab es schon Kontakte zu russlanddeutschen Schülerinnen und Schüler während eines Praktikums 1976 an der Realschule Kreuzheide. Die Jugendlichen lebten in Westhagen und mussten jeden Tag mit dem Bus zur Schule in die Nordstadt fahren.
1972 hatte der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) Wolfsburg mit
sozialsportlichen Aktivitäten begonnen – damals mit Aktionen mit jugendlichen Strafgefangenen aus der Jugendanstalt Hameln. 1976 wurde der CVJM Mitglied im LandesSportBund Niedersachsen und im
selben Jahr bauten junge
Leute ein Freizeitgelände am Fuhrenkamp in Eigenarbeit. Davor waren sie in der St. Marien-Kirchengemeinde in der Nordstadt aktiv. So waren es gute Voraussetzungen für eine Arbeit mit jugendlichen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gegeben. 1983 kam es zu einer segensreichen Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk Wolfsburg e.V. – wie auch mit anderen Gruppen, Vereinen, Sport, Schulen, Kirchengemeinden, Politik, Verwaltung, Zeitungsredaktionen, Wohlfahrtsverbänden, dem Arbeitskreis für Spätaussiedlerfragen, Sprachkursen und vielen mehr.
1983 gab es noch viele Vorurteile gegenüber Neubürgerinnen und Neubürgern „aus dem Osten“. Der damalige Sportreferent des deutschen CVJM, Rolf Müller, empfahl uns, verstärkt im CVJM aktiv zu sein – ebenso wie Klemens Neumann, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Stadtsportbundes Wolfsburg und Vorsitzender der Sportjugend, uns riet, dass wir uns stärker dem organisierten Sport zu wenden und engagieren sollten.
Und dann starteten wir durch. Sowohl bei Aussiedlerinnen und Aussiedlern wie auch
bei Einheimischen genauso wie bei Ausländern und Asylbewerbern kamen unsere Angebote gut an und wir erkannten, dass durch „nichtsprachliche“ Angebote wie Sport, Kochen, Backen, Basteln und vieles
mehr ihnen gut geholfen werden
konnte. Die Fahrten zu Punktspielen und Turnieren lernten die „Newcomer“ ihre neue Heimat besser kennen, bei Turnieren erwiesen sie sich als gute Gastgeber, bei Fahrten ins Ausland und bei Deutschen CVJM Meisterschaften waren sie keine „Aussiedler“, "Aussiedlerinnen" oder „Spätaussiedler" – sie waren für alle anderen CVJMerinnen und CVJMer.
In der Öffentlichkeit, im Vereinsleben, bei Treffen und Tagungen, bei Sitzungen
und Konferenzen wiesen wir auf die guten Möglichkeiten des organisierten Sports hin. So sind Fototermine mit Politikern wie dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht
noch in Erinnerung ebenso wie Referate bei der
Sportjugend Niedersachsen und dem LandesSportBund, beim CVJM und der Diakonie, beim Symposium des Deutschen Volleyball Verbandes, beim organisierten Tischtennissport, bei der niedersächsischen Zentrale für Politische Bildung … noch in guter Erinnerung. Gegenüber den Neubürgerinnen und Neubürgern wiesen wir aber ebenso darauf hin, wie gut Kontakte zur Zivilgesellschaft, zum Sport, zu Vereinen und Gruppen ihnen bei ihrem Einlebungsprozess helfen können.
Wir erhielten bei unseren Aktionen große Unterstützung und viel Zuspruch von Mutmacherinnen und Mutmachern‚ Daumendrückern, von Zeitungen und Zeitschriften, aus der Politik und Verwaltung, von Vereinen und Gruppen, Schulen, Kirchen, VW-Sportdienst, Justizvollzugsanstalten und vielen, vielen Einzelpersonen – es ging richtig eine Welle durchs Land. Dies verstärkte sich noch, als 1988/1989 die Zuzugszahl der Spätaussiedler stieg. Allerdings muss festgestellt werden, dass es auch Neid, Missgunst und Vorurteile gegeben hat gegenüber Neubürgerinnen und Neubürgern - aber auch untereinander.
1988/1989 richtete dann der LSB Niedersachsen eine Arbeitsgruppe ein, die besonders durch Reinhard Rawe, Karl-Heinz Steinmann, Wolfgang Wellmann und Manfred Wille geprägt wurde und viele Ideen entwickelte. Zum Hearing des Deutschen Sportbundes (jetzt: Deutscher Olympischer Sportbund) und des Bundesministeriums des Innern fuhren Reinhard Rawe und Manfred Wille nach Frankfurt am Main und stellten die Ideen aus Niedersachsen vor.
Diese Aktion, an der viele im CVJM und außerhalb des CVJM mitgewirkt haben, hat
zahlreiche kleine und größere Pflöcke ein-geschlagen, die bis heute noch wegweisend sind: Sport mit
Neubürgerinnen und Neubürgern einschließlich
Schwimmen, Bewegung und soziales Engagement, das Sammeln von Spenden für Projekte für Kinder und Jugendliche während Turnieren, eine differenzierte Betrachtungsweise von Integration, Newcomer („Underdogs“) können Gebende sein. Aber auch kleinere Dinge wie die Startgebühr von Kuchen für Freizeitsportturniere, Zeitsätze im Volleyball, gemeinsame Mittags-pausen zum besseren Kennenlernen und vieles, vieles mehr. Einiges von dem wird es sicherlich schon davor gegeben haben – aber hier wurde eine Idee von vielen Unterstützerinnen und Unterstützern „institutionalisiert“.
Die Auszeichnung mit der Goldplakette durch die Bundesregierung für vorbildliche
Arbeit mit deutsch-stämmigen Aussiedlern 1991 in Köln war nur
der Anfang von vielen Ehrungen (hier klicken).
Unvergessen im Jahr davor die Paddeltour im Rahmen der deutsch-deutschen Einheit von 50 Schülerinnen und Schülern aus Sulingen, Havelberg und Wolfsburg-Westhagen über 300 Kilometer von der Oder zur Elbe unter dem Motto „Wir sitzen im selben Boot – in Ost und West“ mit Empfängen beim damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht, im Palast der Republik mit der damaligen Volkskammerpräsidentin Dr. Sabine Bergmann-Pohl (wohl die einzige Kinder- und Jugendgruppe nach dem Mauerfall) und beim Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Juan Antonio Samaranch hier klicken.
zur Elbe unter dem Motto „Wir sitzen im selben Boot – in Ost und West“ mit Empfängen beim damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Ernst Albrecht, im Palast der Republik mit der damaligen Volkskammer-Präsidentin Dr. Sabine Bergmann-Pohl (wohl die einzige Kinder- und Jugendgruppe nach dem Mauerfall) und beim Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Juan Antonio Samaranch.
Ein Höhepunkt für mich war die Auszeichnung mit dem Bundes-Verdienstkreuz 2012
durch den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck im Schloss Bellevue in Berlin. Zum Artikel mit einer umfangreichen Bildergalerie hier klicken.
Der CVJM Wolfsburg hat eine Dokumentation "CVJM bewegt: 40 Jahre Aktionen mit und für Neubürgerinnen und Neubürger" herausgegeben. Auf 178 Seiten wird ausführlich über diese segensreiche Arbeit berichtet. Zum Buch hier klicken.
Integrativer Sport war auch zum 30-jährigen Jubiläums des Programms "Integration durch Sport" schon Thema des Monats auf diesem Internetauftritt hier klicken.